9. Die Evangelien der Schuld
„Habt Ihr die NZ gelesen?“, eröff’nete Hans eines Abendes die Gesprächsrunde. „Wiederum sei ein islamistischer Hassprediger festgenommen worden, dem jetzt die Zwangsausreise in sein mehrheitlich muslimisches Heimatland Dschehennistan bevorstehe. Dieser Mann empfinde sich jedoch als gänzlich unschuldig; er habe lediglich der Religionsfreiheit gemäß im Rahmen seiner Religion gegen das Sittenverdörbniss der Ung’läubigen gepredigt, für die Allah sowieso die Hölle als Gefängniss bestimmt und schmerzliche Strafe bereitet habe (17:8,10). Ich sage Euch allso, Jungens: Die meisten „Frohen Botschafften“ sind solche der Schuld.“
„Per exemplum?“, fragte ich.
„Das erste, das ich durch die Kunde aus der NZ ja schon vorweg nahm, ist der politisch ausgelegte Quran alias Koran, wenn er allso der Barmherzigheit Allah zuwider missbraucht wird, den culturell missliebigen Mitmenschen unbarmherzig zu behandeln. Viele Europäer fürchten sich vor dem von ihnen nicht gelesenen geschweige denn durchgearbeiteten Quran und vermuten, der Hass jener Prediger wie des eingangs genannten Mannes sei dem Koran entnommen. Dies trifft jedoch nicht zu. Eben so wohl könnte man die Bibel als Hassbuch bezeich’nen, was eben so untrefflich wäre. Die meisten Suren im Quran werden im Namen Allahs, des Barmherzigen, gelesen. Und Allah liebe die Menschen, die gut zu den anderen Menschen sind. Das ist auch für gutwillige Heiden durchaus acceptabel. Allerdings finden wir im Quran auch gewisse Stellen, in denen kein Frieden zu lesen ist, etwa: „Allah verheißt den Heuch’lern und Ung’läubigen das Feuer der Hölle“ (9:68) oder „O du Prophet, kämpfe gegen die Ung’läubigen und die Heuch’ler und sei streng mit ihnen“ (9:73). Aber Ähnliches steht auch in der Bibel, gar im Neuen Testament, etwa: „Diese meine Feinde, die nicht wollten, dass ich ihr König werde, bringt sie her und macht sie vor mir nieder“ (Lk 19,27) oder: „Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuch’ler! (…) Wie wollt ihr der höllischen Verdammniss entrinnen?“ (Mt 23,15/33). Welcher Prediger, einerlei ob für Jeschua oder für Muhammad, diese Verse zu ’r Rechtfertigung seines Hasses verwendet, der versucht, die Bibel oder den Quran als „Evangelien der Schuld“ zu deuten und einzusetzen, denn die Schuld gewisser Menschen oder Gruppen soll der eigenen Erlösung dienen, ohne sie jedoch durch Barmherzigheit oder Vergebung zu gewinnen, sondern zu Vernichtung des vermeintlich schuldigen Bruders. Als schärfstes Exempel aber nenne ich die Botschafft eines Mannes aus Braunau am Inn, der den angeblich überlegenen Arier germanischen Gepräges als den idealen Menschen propagierte, der „Lebensraum im Osten“ bedürfe. Nun nannte dieser Mann sein Buch nicht „Evangelium“ oder „Frohe Botschafft“, sondern „Mein Kampf“, aber dies Buch ist das Zeugniss eines Mannes, der zu ’m G’lücke strebte und zu wissen vermeinte, das G’lück sei dardurch zu erlangen, dass man die nach seiner Sicht Schuldigen g’nadenlos vernichtete. Ich reihe es nun allso dennoch in die Reihe der „Evangelien der Schuld“ ein, weil es wie eine „Frohe Botschafft“ als Grundlage des Predigens genommen wird, so nach dem Motto: ‚Seht, hier ist das Paradies! Und wir gelangen hinein, wenn und indem wir diese oder jene Schuldigen vernichten!’ Diese Prädict oder Predigt enthält die Aufzeigung eines als Missstand gedeuteten Zustandes, enthüllt die für diesen Missstand als schuldig Gedeuteten und weist die Methode auf, diese Schuldigen zu beseitigen, auf dass so mit den Übeltätern auch das angeblich von denen erwirkte Übel beseitigt werde, wodurch dann das Paradies offen stehe. Den Helfern und Mitarbeitern in dieser Sache wird Erhebung und Heil versprochen. Schuld ward in „Mein Kampf“ den Juden und den Bolschewiken hauptsächlich zugewiesen, aber auch allen (Social-)Demokraten, Christen, Sinti, Roma, Slawen, Negern, Rassenschändern oder Behinderten. Allso mussten - nach jenes Kämpfenden liebloser Logik - sie beseitigt werden. Wer dieser Lehre diente, der - das oder so suggerierten ihm die Demagogen - werde dardurch wertvoller, reicher, reiner, bekam Land, Ehre und G’lück.“
„Aber wer Wind sät, wird Sturm ernten.“, citierte ich Hos 8,7.
„Oh, ja! Nicht nur der Hamburger Feuersturm ist unvergessen, auch wenn er vor unserer Zeit über die Stadt hereinbrach.“, bekundete Werner bitter.
„Jo. Mögen oder wollen wir nie wieder auf eine solche verkappte Botschafft der Erlösung durch Schuldigenvernichtung hereinfallen, Jungens!“, gemahnte Jan.
„Jo, ist recht! - Und welche Pseudo-Evangelien sind noch zu nennen?“
„Das ist eine lange Liste. In beinahe allen Büchern, auch denen der großen Weltliteratur, wird unablässig des Menschen Arglist, Blödigheit, Dummheit, Eitelheit, Feigheit, Geistvermeidung, Habgier, Ichsucht, Jähzorn, Knauserei, Lüge, Mordlust, Neugier, Ohnherz, Prahlsucht, Quällust, Raffgier, Streitlust, Tücke, Unvernunft, Verstocktheit, Wahnsinn und Zerstörungssucht beschrieben. Aber all dies wird nicht sachlich oder iuristisch neutral aufgeführt, sondern anklagend, schuldig sprechend, verdammend. Zug’leich ward all das so dar gestellt, als sei diese Schuldigsprechung der rechte Weg zu ’m Heile, die Verdammung allso das letztlich Heil Bringende. Allso sind all diese Bücher Evangelien, halt, nein: Pseudo-Evangelien der Schuld.“
„Wüsstest du gewisse dieser Pseudo-Euaggelia namentlich zu concretisieren?“
„Aber gewiss; zu Dutzenden! Die Liste reicht vom „Alten Testament“ über „Andorra“, „Bonjour tristesse“, „Castellio gegen Calvin“, „Das Parfüm“, „East of Eden“, „For whom the Bell tolls“, „Götz von Berlichingen“, „Herrn Keuner“, „Il nome della rosa“, „Jedermann“, „Krabat“, „L’étranger“, „Masse und Macht“, „Nineteeneightyfour“, „Othello“, „Pride and Prejudice“, „Quo vadis?“, „Romeo and Juliet“ bis zu „Schuld und Sühne“, in dem keine solche geschieht, nicht geschehen kann, weil nicht gefunden wird, was Sühne ist. Bei einiger Besinnung ließe diese Liste sich bequem vervielfachen.“
„Mein lieber Mann! Wieso sprichst du nicht g’leich: ‚Alle Bücher, die wir kennen’?“
„Das träfe nicht zu, wenn ich das spräche! Ich nannte ja lediglich die jenigen Bücher, in denen mit der Schuld den Leser bannende Spannung aufgebaut wird, die jedoch unvergeben bleibt. In all diesen Büchern ist die Schuld das letzte Wort, auch wenn dies offen beklagt wird. In „Andorra“ wird ja nicht etwa offen oder gar hetzerisch den Andorranern Schuld zugesprochen, sondern der Missstand der Schuldzuweisung und Verdammung genannt, aber der schuldg’läubige Leser wird kaum umhinkönnen, die meisten Andorraner als schuldig zu denken, weil sie als ichsüchtig, berech’nend, feige und verlogen dargestellt werden.“
„Und erachtest du die üblichen Predigten der Theologen als Botschafften der Schuld oder der Unschuld??“, fragte Jan hintergründig.
„Eine tiefsinnige Frage! Auch die Botschafften der Trennungskirchen gegen andere Kirche(n) sind in meinen Ohren größten Teiles solche Pseudo-Evangelien. Die jeweils anderen Kirchen sind nämlich alle unrichtig. Und du wirst durch Mitgliedschafft zu der einzigen, allein wahren Kirche über und gegen alle anderen Irrenden alias Minderwertigen erhoben und kommst als einer der wenigen Auserwählten in das Paradies, hingegen die Anhänger der falschen Kirchen zwangsläufig in die Hölle kommen müssen!“
„Und welche ist die einzig wahre Kirche?“
„Die Kirche der Aus-der-Kirche-Ausgetretenen!“, lachte Werner.
„Stimmt! Jede Kirche nämlich ist die einzig wahre Kirche. Das sagen jedes Falles ihre jeweils überzeugten Mitglieder. So, wie der Fußballverein, dessen Mitglied man zufällig ist, zweifellos der beste Verein der ganzen Erde ist, wie die Fans allesammt und immer wieder grölend bezeugen. Oder der dorfansässige Schützenverein. Aber das ist doch nicht der Punct, um den es darbei geht. Dieser ist nämlich, dass um das G’lück in der Welt geträumt, gebangt, gekämpft wird, und welche Kirche oder welcher Verein den Weg darzu bietet, die oder der ist die/der einzig wahre.“
„Das einzig Wahre ist doch ein gewisses Bier aus dem Sauerlande, oder nicht?“, lachte Werner, der das Alles nicht ernst nahm.
„Aber der krasseste Fall war eindeutig der des Mitlaufens, ja: Mitströmens im Strome der Nazis.“, führte Jan zu unserem Thema zurück.
„Ja. Nie zuvor wardn so viele Leute so lang und so besinnungslos getäuscht und ließen sich täuschen. Wie kam das? Der Mensch sucht mehrheitlich, dumm zu bleiben und dass es ihm abgenommen werde, sich mit Denken und Lernen zu belasten! Auch heute noch. Statt zu erwachen, träumt der Mensch gern in gerade angesagten modischen Strömungen mit. Diese Strömung ist die einzig wahre „Kirche der Mitströmlinge“, wobei der Strom und dessen Richtung erstaunlicher Weise austauschbar ist. Liefen sie früher „Judenschwein!“ rufend mit, laufen sie heute „Nazischwein!“ rufend mit. Diese Rufenden sind eben so austauschbare Mitströmlinge, wie der Strom der Zeit, in dem sie jeweils mitschwimmen.“
„Moment, bitte. Willst Du ernstlich die heutigen aufgeklärten Nazigeg’ner mit den früheren unaufgeklärten Nazimitläufern gleichsetzen?“, staunte Jan.
„Nicht in moralisch wertendem Sinne, sondern in verg’leichend verhaltenswissenschafftlichem Sinne. Und ich meine auch nicht alle Nazigeg’ner, aber die große Mehrheit derer, weil die vermeintliche Aufgeklärtheit nur eine anders gepolte Condicioniertheit ist. Ein wirklich aufgeklärter Nazigeg’ner kann doch unmöglich etwa bei der Verkehrspolizei arbeiten und sich mit einer Radarpistole im Gebüsche verstecken, um den bösen Schnellfahrern an Stellen aufzulauern, an denen noch nie ein nennenswerter Unfall geschehen ist, aber eine hohe Geschwindigheitsgrenzüberfahrung möglich, mithin die Geldeintreibe efficient ist. Dieser Mensch missbraucht seine Staats-Uniform, um ein Gesetz über den Menschen zu stellen und um den Buchstaben des Gesetzes g’nadenlos gegen den Menschen zu vollstrecken. Das ist Nazitum ohne braune Uniform, viel subtiler zwar, jedoch dardurch viel grausammer denn das dumme „Heil-Hitler“-Gestammel gewisser unbelehrbarer Schwachköpfe, welche aber vielleicht tatenlos bleiben.“
„Und du denkst, die meisten Nazigeg’ner seien einfach nur willenlos condicioniert? Denkst du, die Menschen seien allesammt nur Gesinnungs- und Modemmarionetten?“
„Ach, du lieber Vertreter des Traumes der Willensfreiheit der Kinder und der Geistesarmen! Alle Menschen sind condicioniert. Auch du und ich. Die Frage ist nur, inwiefern und ob wir und sie es bemerken. Die meisten bemerken es nicht und g’lauben derweil stumpfsinnig dünkelhaft an ihren freien Willen und sind empört, wenn du den in Frage stellst. Aber sie wissen nicht, was der Name ‚Wille’ nennt und denken, er nenne das, was sie unter den Namen ‚Wünschen’ und ‚Begehren’ zwar kennen, jedoch in Folge ihrer Condicioniertheit nur im besonderen Falle verwenden. Ein Nazigeg’ner (wohlgemerkt, nicht ein friedlicher Nicht-Nazi oder der das Nazitum schlichtweg Ablehnende, sondern der tätlich kämpfende Geg’ner) sucht sich einen Nächsten als Schuldigen, um ihn zu bekämpfen, und sucht sich darfür Jemanden aus, der durch öffentliche Wertungsvorgabe (Nazi = böse = darf verfolgt werden) darzu als tauglich scheint, dass dies mit Erlaubniss des Gesetzes mit ihm getan werde. Dies aber nicht zu bemerken, weil die officielle Wertungsvorgabe ja eingehalten wird, beweist Condicioniertheit.“
„Auch das ist schon Condicionierung, wenn wir deine Wortverdrehungen zwar gewohnt sind, jedoch nicht wissen, wie du das immer meinst, und wir uns dann darüber immer eingeübter Weise verwundern? „Es macht mich starr vor Furcht und Staunen!“, citierte Werner theat’ralisch. „Auch wir sind condicioniert? Wir alle? Und, Hans, auch du?“, wobei unklar blieb, ob Werner diese Frage ernst meine.
„Nein.“, dehnte Hans ernster Miene. „Ich natürlich nicht. Nur du und alle Anderen!“
Genarrt, ob er das wirklich so denke, blickten wir zunächst verblüfft darein. Schließlich löste ein zunehmendes Gelächter die Spannung. Und Hans sprach: „Aber gewiss sind wir Alle von vorn bis hinten condicioniert. Und wie du sagtest, auch sprachlich. du lernst und wir lernen die Sprache ja nicht wissenschafftlich, sondern volksmündlich. Und die unwissenschafftliche Mutter fragt das Kind: „Willst du ein Eis?“ Und das Kind entnimmt dieser Frage, dass es mit der Option gefragt werde, eines zu bekommen. Und der Wunsch zu einem Eisbecher oder einer Eiswaffel ist, weil alle Kinder zuckersüchtig sind, sofort entflammt und es antwortet, die ihm vorgegeben Namen wiederholend: „Au ja, Mami, ich will ein Eis!“ Schon denkt es, der Name ‚will(st)’ oder ‚wollen’ nenne solches „Wünschen“, hingegen es den Namen ‚wünschen’ kennen lernt, wenn die Erfüllung des Wunsches für „später“ angesetzt ist, was üb’rigens ein schwer wiegendes Wörtchen ist. Aber hiezu später mehr. Allso ‚wünscht’ das Kind etwas zu Weihnachten oder zu seinem Geburtstage und denkt unausgesprochen, wollen sei für „jetzt“ und wünschen sei für „später“. Und dann gewöhnt sich das Kind daran und denkt, das, daran es sich gewöhnt habe, sei die Wahrheit. Kinderleicht, nicht? Und die meisten körperlich erwachsenen Kinder sprechen immer noch so, wie sie es einst prüflos lernten. Das ist allerdings Condicioniertheit. Allso Gewöhnung an voreilige, ungeprüfte Schlüsse mit prüfloser Erhebung des nachmalig Gewohnten zu ’r Wissenschafft oder gar der felsenfesten Wahrheit. Und dann kommt solch ein Ketzer wie der böse Hans und rüttelt an diesen Felsen wie einst der an sie geschmiedete Prometheus.“
„Oh, ja! Schlimm, dieser Irre!“, witzelte Werner.
„Lasst es mich noch zu Ende bringen, Freunde!“, bat Hans milde. „Auch die Nazigeg’nerei ist zu einer Mode geworden. Keine Mode der Kleidung, die ‚Anziehsachen’ zu nennen jetzt gerade flache Sprechmode ist, sondern eine Verhaltensmode. Die Mode ist der „Modus“ à la mode francaise, der gerade angesagt wird oder ist und bei dem Alle mittuen, die außer ihrer Gewohnheit keinen Weg und keine Weise kennen, etwas zu tuen. Und Modehörigheit ist ein Kennzeichen der reflexionslosen Condicioniertheit. Und so sage ich allso zu den Mitläufern, die immer nur ohne moralische Wertung mitlaufen, sie riefen früher prüflos „Heil!“ zu den Nazis und rufen heuer prüflos „Schuld!“ zu ihnen. „Brüllen sie heute: „Tor!“, brüllten sie früher: “Hurra!“, als etwa anno 1914 dem benachbarten Frankreich der Krieg erklärt worden war, obdoch kaum Jemand genau wusste, weswegen das eigentlich geschehen war. Sie Alle suchen eigenweglos das G’lück der Welt und wähnen, solche bebrüllten Geschehnisse seien das Tor zu diesem G’lücke.“
„Dass du Fußballvereine und Kirchen und Politparteien in einen Topf wirfst, gefällt mir zwar.“, schmunzelte Werner. „Ich denke aber, dass Kirchg’läubige darüber sich empören werden. Oder was denkst du?“
„Das denke auch ich. Aber das zeigt nur, welchen Anspruch die Mitläufer solcher Gruppen erheben. Ich setze ja lediglich die Kirche als Organisation mit anderen Organisationen g’leich. Die Sache Christi setze ich keines Falles mit der Sache des Fußballes g’leich. Hingegen erachte ich die Sache des Fußballes als der Sache des non-inspirierten Mitströmens einer Kirchgemeinde g’leich, wenn allso die Sache Christi nicht erschlossen worden ist, sondern weltliches Wohlergehen, ein gelungenes Gemeindefest, Gemeindevorstandswahlen, eine schöne Vermählungsfeier („Och, das Brautkleid war aber hinreißend schön!“), eine - hach! - so wichtige Renovierung des schönen Weihwasserbeckens, der Bericht des Cassenwartes des Fördervereines, et cetera, im Vordergrunde stehen. Das ist auch im Fußballvereine nicht anders. Und das oder Solches hat mit der Sache Christi nichts gemein. Menschen, denen all dieser eitele Schnickschnack wichtig ist, suchen das G’lück allein in der Welt, allso nicht im Christus, der die Überwindung der Welt durch ihre Vergebung ist.“
„Und wenn ich Dich richtig verstehe, dann ist diese Suche des G’lückes der Welt der Grund für die Schuld, wenn nämlich causal gedacht wird, jemand sei die Ursache für das Misslingen der Suche oder des G’lückes?“
„Ja, wohl, Jan. Du hast es. Und erinnert ihr, dass der Name ‚Schuld’ eigentlich nur ‚Soll’ nennt? Die giftige Heftigheit aber, mir der einem als Täter erachteten Menschen oder als Urheber erlittener Pein erachteten Naturgewalt die Schuld zugewiesen wird, zeigt, dass wir zu dem ursprünglichen „Soll“ des Namens ‚Schuld’ noch etwas hinzudenken und -empfinden, dass allso das Wort als größer werden lässt denn der Name gründet. Und dies Hinzugedachte ist auch mit ‚Anklage’ nicht benannt, obwohl auch diese mit darinnen steckt. In der Klage aber steckt das Weh, das als erster Bestandteil des Namens ‚Wehklage’ ausgelassen ward. Und das Weh nennt nicht einfach einen Schmerz oder einen Gram oder eine Pein, sondern auch den Zorn ob des Scheiterns der Welt. Und der unsagbare, abgrundtiefe Wehzorn über dies Scheitern und über die eigene Ohnmacht, die im Grunde mit diesem Scheitern selbig ist, steckt in der Schuldzuweisung voller Weheklage und bezeigt das Schicksal, in der Suche des G’lückes geradezu verzweifelt diesseitig ausgerichtet zu seien und zu bleiben und allso zu scheitern!“
„Aber lächelt uns dort nicht auch die Erlösung heiter entgegen?“, fragte ich nach einer Pause.
„Wo genau?“, lächelte Hans.
„Im Bemerken der Selbigheit des Scheiterns und der eigenen Ohnmacht. Diese ist die Ohnmacht des Ichgebildes, das zu seien wir wähnen, das wir jedoch eigens entworfen und gemacht haben. In der Besinnung auf das, was wir ohne dies Ich sind, allso in Wahrheit sind, liegt der Schlüssel zu ’r Pforte hinaus aus dem grässlichen Knaste des Leidens unter der Schuld, dem Mangel dem Tode. Wir wesen jenseits des Iches.“
„Schön gesehen und gesagt, mein Lieber! Das könnte beinahe von mir seien.“, sprach Hans Augen zwinkernd.
„Vielleicht es ja von uns gemeinsamm?“
„Das befürworte ich!“, stimmte Jan ein.
„Und auch ich.“, schloss sich Werner an.
Und Jan schenkte uns Allen noch eine Runde ein.
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