5. Reif für das Eiland
„Sage, Jan! Du warst doch einst in der Südsee, oder? Wie war dir diese doch so lang zuvor umträumte Reise?“
„Sagenhaft, Jungens! Habe ich Euch das nicht Alles schon erzählt? Ich werde Euch gern ausführlich alles nochmales veranschaulichen. Aber dass ich mir den Mund nicht trocken vertelle, muss zuvor einer eingeschenkt werden.“
Gerne kam ausnahmsweise ich der Aufforderung nach und schenkte Jan (der das Einschenken ja sonst immer gewohnheitlich versah) ein, dass er nicht jämmerlich auf dem Trockenen sitze.
Und er begann mit zunehmend verklärter Miene zu erzählen: „Ich flog von Brisbane in Australien nach Vanuatu, allso auf die ehemaligen Neuen Hebriden, was ein Inselgrüppchen ist, das etwa östlich des großen Barriereriffs, nördlich Neucaledoniens und westlich der Fidschi-Inseln liegt. Schon von oben aus der Luft hielt ich oberhalb des Archipels unwillkürlich den Atem an. Mein Herz klopfte rege, ohne dass ich es bemerkte. Die Sicht über das Eiland war mir wie eine Offenbarung der Schönheit dieser unserer Erde. So hoch am Himmel schwebte mein Flieger, dass ich einen unermesslich langen, gebogenen Hori-zont zwischen der blauen See und den weißen Wolken sehen konnte. Mehrere Inseln lagen in beschaulicher Nähe zu einander. Wieso denken wir immer, das Paradies sei ein Eiland? Vielleicht, weil es von der rauen und keines Falles para-diesischen Außenwelt abgetrennt ist? So dachte ich ’s und fand es nur wunderschön. Als das Flugzeug hinunterzog, sah ich allmächlich immer genauer, dass wir einen kleinen Flughafen ansteuerten, der ein wenig außerhalb einer städtisch anmutenden Ansammelung zahlreicher Häuser angelegt war. Die Ansiedelung war die Hauptstadt namens Port Vila, die lieblich an einer hügelumsäumten Bucht gestanden war, deren Meeresanbindung in Mitten durch eine steile, grüne Insel geteilt ward, ähnlich wie bei San Sebastian alias Donostia.
Ich ließ mich nach g’lücklicher Landung und Zolldurchlassung von meinem Taxichauffeur zu ’m Talimoru-Hotel in der Rue Cornwell bringen. Als ich mich in ’s Gästebuch eintrug, gewahrte ich zu meinem Erstaunen unmittelbar über meinem Namen einen deutschen, der seit zahllosen Seiten voll mit änglischen, japanischen oder französischen Namen der einzige deutsche war. Den Menschen kannte ich später an der Bar aus allen anderen Gästen treffsicher heraus, weil er so ernster Miene war, wie das gemeinhin in der schönsten Zeit, nämlich derweil des Urlaubes, nur Deutsche sind, es sei denn nörgelige Übergelaunte aller Nationen, die das Lachen durch eine Art Krankheit bedingt vermeiden. Wir kamen an der Bar in ’s Gespräch; er heiterte auf und eröff’nete mir seinen Namen: Jonas Wegener. Er war schon seit drei Tagen vor Ort und bot sich an, mir alles Wichtige und Unwichtige zu zeigen, was er bereits erkundet hatte. So gingen wir gemütlich in die Stadt und gelangten zu ’r Post. Vor dem Gebäude aus alter Colonialzeit wardn wir unvermutet auf Deutsch angesprochen, weil wir durch unsere Sprache der uns nun freudig ansprechenden Frau aufgefallen waren. „Entschuldigen Sie bitte, kommen Sie aus Deutschland? Hach, hier sind so wenige Deutsche!“ Wäre ich etwa auf Mallorca, Malta oder Mykonos eher abgeneigt gewesen, mit jemandem zu sprechen, nur weil ich aus Deutschland komme, fand ich dies auf solch entlegener Stätte durchaus nicht unwillkommen; so auch Jonas, dieser Mitgast meines Hotels, wie er mir später sagte. Diese nette deutsche Mutter lud uns für den nächsten Tag zu sich und ihrer Familie nach Hause zu ’m Abendessen ein, was wir dankend annahmen. Nach der Erklärung des Weges zu ihrer Wohnstätte und einiger Plauderei gelobten wir, pünctlich dort zu erscheinen.
Jo, Jungens, es ward ein netter Abend. Diese Familie kam aus Köln, der Mann arbeitete für den WDR und war gerade für die Unesco auf Vanuatu, um bei dem Aufbau eines dortigen Senders über zwei Jahre lang zu helfen. So hatte er seine Gemahlin und die beiden jungen Söhne im Grundschulalter g’leich mitgenommen. Sie bewohnten einen neuen Bungalow nach australischer Bauart, der den hohen deutschen Urlaubererwartungen so wie etwa auf Sri Lanka oder den Malediven durchaus genügte. Zu dem Abendessen erschien auch noch eine junge deutsche Frau, die sich als Hermine Israel, Schriftstellerin aus Berlin, vorstellte, und den Rundfünkler schon vor etwa anderthalb Wochen zufällig auf der Insel kennen gelernt hatte. Jonas, mein Mitgast, erwies sich während des Abends als netter, erfahrener und sprachlich geübter Unterhalter fremder Zeitgenossen. Er arbeite als Kellner für die Ikaros Airlines, sagte er uns, und erzählte von seinen Dienstreisen nach Tokio, Toronto, Tahiti. Oder führten sie nach Neu York, Niamey, Nairobi? Oder Sydney, San Francisco, Sao Paolo? Ich weiß es nicht mehr; es waren viele austauschbare, wenn auch größlich klingende Namen. Die Familie aber hing an seinen Lippen und fragte immer fürder und weiter: „Warst du denn auch schon in Delhi?“ „Ja, auch dort war ich.“ „Und warst du denn auch schon in Melbourne?“ „Ja, war ich schon.“ „Und warst du denn auch schon in Wellington?“ „Ja, auch dort.“ Fragen und Antworten waren Stereo-typen. Die Fragenden wardn immer begeisteter, der Antwortende immer knapper und gelangweilter. Auch Hermine, die Schriftstellerin, wünschte immer mehr des „Lebens“ in der weiten und wie sich zu ihrem Entzücken erwies: erfliegbaren Welt zu wissen und versuchte, sich „so ein Leben vorzustellen“, wie sie das nannte. So ein Leben? Nicht, Hans? „Solch ein Leben“ wäre sprachlich besser; „solch ein Darseien“ aber denklich besser. Sie deutete allso das ‚Darseien in der Welt’ als „das Leben“, dessen dann mehrere, ja Milliarden Versionen zu beobachten waren, die allesammt sterblich waren. Das fand ich sonderbar. Na, ja. Aber Jonas seinerseits gestand aufrichtig, dass er von all den fernen Städten immer nur die überall bis zu annähernder G’leichheit ähnlichen Flughäfen und jeweils ein austauschbares Hotel gesehen habe, weil er zumeist dort erst nach Ortszeit abends ankomme und nach Dienstschlusse nur noch schlafen gehen könne, weil er ja am nächsten Morgen, manch Mal noch vor Sonnenaufgang, wieder arbeiten und fortfliegen müsse. Er sei allso nicht zu beneiden, denn er sehe von der Welt so viel, wie ein Arbeiter etwa in London oder Moskau, der mit der U-Bahn dreißig, vierzig oder gar fünfzig Minuten zu seiner Dienststätte fahre und derweil immer nur den unterirdischen Tunnel und die Stationen zu sehen bekomme. Diese sachliche, prosaische Darstellung seitens Jonas’ bewog die Zuhörenden zu keiner Minderung ihrer fieberähnlichen Begeistung; sie schätzten seine - Jonas’ - Reisen als mehr denn bloße Arbeitswegefahrten ein, derweil man nicht viel der Welt zu sehen be-komme. Ihnen dünkte der dargestellte Beruf des Flugkellners das G’lück schlechthin zu seien; ich vermute, weil er doch tagtäglich in die weite Welt hinaus flog. Nach noch viel Gespräch in guter Stimmung gingen Jonas und ich spät „heim“ in unser Hotel. Auf dem Wege durch die lauschige, laue Tropennacht gestand er mir, dass er die jetzige Reise unternehme, weil er AIDS in seinem Körper trage und bald nicht mehr werde arbeiten oder fliegen können. An Gott g’laube er nicht, antwortete er mir auf meine entsprechende Frage, Der müsste ja, wenn Er denn existierte, ein widerlicher Sadist seien, dass er die Menschen so erbärmlich leiden lasse. Und so wolle er an Gott lieber als nicht existent denn als Sadisten g’lauben.
Am nächsten Tage flog Jonas fürder, nach Australien und Neuseeland, wie er sagte. Ich bin ihm nie wieder begeg’net. Hingegen traf ich zwei Tage später mit Hermine Israel in einem Straßencafé wieder zusammen, die sich, wie sie mir offenbarte, vergeblich fragte, wieso ihr eigentlich ihr vierwöchiger Aufenthalt auf dem Eilande zug’leich so bedeutsamm und so unbestimmt vorkam. Immer versuchte sie, sich das Leben der Reisenden oder der dort arbeitenden oder sonstwie auf der Insel wohnenden Leute vorzustellen, so als suche sie, ein anderer Mensch zu seien oder doch in dessen Welt und Sicht zu gelangen, um so vielleicht einen ihrem Darseien verborgenen Sinn des großen Seiens enträtseln zu können. Und sie fragte sich, wieso man dort g’lücklich sei? Aber in der Tiefe beg’lückende Antworten fand sie nicht; zumindest sprach sei keine zu mir aus. Die üblichen Antworten kannte sie durchaus, aber diese sind nur der Gestalt nach Antworten, inhaltlich jedoch so hohl wie Seifenblasen oder oberflächliche Wörterfolgen. Wegen eines angekündigten Wirbelsturmes aber kam es zu ihrer - wie ich es empfand - angsthörig eiligen Abreise, die sie unsagbar bedrückte, so als müsse sie aus dem Paradiese fliehen. Sie schrieb darüber später eine Erzählung und fand darfür sogar einen Verleger – eine Erzählung wie ich finde: ohne gute Botschafft, denn sie beschrieb immer nur die Friedlosigheit der Menschen und deren Nicht-Ankunft bei dem, das sie sich wünschen, jedoch ohne Trost oder gedankliche Lösungen zu bieten. Ich habe das Buch später in Hamburg gesehen und mir gekauft. Das allso von ihr Geschriebene ist eine Erzählung eines tatsächlich bestverkauften Buches für eine Leser- und Vernehmergemeinde geworden, die sich von klärungslosen Reproductionen ihres eigenen, unmöglich gelingenden Welttraumes, allso ihres Ung’lückes unterhalten lässt, ohne den Geist um Hilfe zu bitten. -
Jo, Jungens; und nun bin ich aber schon lange wieder hier, wie Ihr wisst.“
„Das ist trotzdem der sonderbarste Reisebericht, den ich je gehört habe.“, bekannte ich.
„Wieso?“, fragte Jan zurück.
„Du erzählst anfangs begeistet und mit strahlenden Augen. Dann bietest du einen Haufen ungelöster Denkknoten und bist am Ende. Und dann sagst du, zwar trefflich, aber knapp: ‚ohne den Geist um Hilfe zu bitten’. Ja, wie hätten die Menschen dies unterfangen mögen?“
„Gute Frage. Ich weiß es aber nicht. Frage mich doch bitte etwas Leichteres.“
„Lassen wir die Frage doch offen im Raume stehen.“, schlug Hans vor.
Wir stimmten ihm zu. Und Werner fragte: „Wie war denn der Aufenthalt auf der Insel für dich, Jan? Ich meine, was bedeutete er dir? War diese Reise nur irgend eine Reise nach zufällig irgend wohin? Oder war diese eine besondere Reise für dich?“
„Sie war eine besondere Reise für mich. Die Menschen auf der Insel leben anders denn wir. Dies ist aber nicht in ihrem Eilandsdarseien begründet, denn sie leben auch anders denn die friesischen Bewohner unserer Nordseeinseln. Sie leben in den Tag hinein. Sie gehen vielleicht arbeiten, aber wenn nicht, dann ist es auch egal. Stets ist später auch noch genügend früh. Sie scheinen schöner, ruhiger und entspannter zu leben, spielen aber etwa Backgammon mit erstaunlicher Verbissenheit, vermutlich weil ihnen das so wichtig ist wie hiesigen Kindern das Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel. Wir träumen immer des Paradieses, das jedoch kein fernes Eiland ist, obwohl wir dies stets g’leich mitträumen, g’laubt mir. Wegen dieses Traumes und Mittraumes fliegen wir urlaubend auf solche Inseln und träumen, dort zu leben sei paradiesisch. Manche Menschen träumen dessen so stark, dass sie hier aussteigen und dorthin ziehen. Aber ist so das G’lück zu finden? Ich denke dies nicht, es sei denn, es gelinge, auf den Eilanden etwas in sich, sozusagen „innen“ zu finden, das zwar auch hier oder woanders in uns ist, jedoch unfindbar bleibt. Unbestritten findest du nur die Schönheit dort, die aber endlich ist, weil du ja alsbald wieder abreisen musst.“
„Aber dass dem Eilandsreisenden dort lediglich sinnlich ein vernommenes Wunschbild als eine Entsprechung für seinen zuvorigen sinnlich ausgerichteten Vernehmenswunschtraum geboten ward, offenbarte ihm keine Wahrheit.“, gab ich zu bedenken.
„Das sagte Jan ja auch; er fand Schönheit, aber keine Wahrheit, kein echtes Paradies, keine Erlösung. Aber er suchte ja vielleicht auch keine Wahrheit, sondern nur die Erfüllung seines letztlich leeren Welttraumes, der eigentlich er war, obwohl er dies nicht bemerkte, denn er erachtete sich als die wichtigste Person der Welt, der sie sich offenbare. Dieser Welttraum, der als er personificiert auf der Erde wohnte, war eine Zeugung und Gebärung von den Ältern namens „Ichtraum“ und „G’lücksidee“, die wiederum die ungesunden Nachkommen der sündigen Großältern namens „Körperwahrheitsg’laube“ und „Todesangst“ väterlicherseits und des „Mangelwahnes“ und der „Schuldendenke“ mütterlicherseits waren. Eine bemerkenswerte Sippe!“, dichtete Hans lächelnd.
„Eine desto bemerkenswertere Poesie von dir!“, bekundete Jan.
„Aber weswegen war diese Reise denn nun so besonders, Jan? In der Schönheit der Insel allein kann das doch nicht gelegen haben, denn alle Eilande des Südsee sind so schön, wie die Inseln unter und über dem Winde in der Karibik oder wie die schönen Eilande des Indischen Oceans, oder?“
„Weswegen ich zunächst solch großes G’lück angesichts des Eilandes empfand, wusste und weiß ich nicht zu sagen. Und ich stimme dir zu, auch andere Inseln sind genauso schön oder gar schöner und sind allso mit einander austauschbar. Aber ich bemerkte all dies nicht, denn ich dachte, ich empfände solch großes G’lück, weil eben dies Eiland so schön sei und weil ich nun endlich auf diesem gelungenen Fleckchen Erde heil angekommen sei und ich die Zeit hätte, dies in launiger Ruhe ein Weilchen lang zu genießen. Aber gegen das End hin wird die Empfindung der Schönheit von der sich nähernden Abreise überschattet. Zeit ist allso auch dar nicht zu „haben“, weil sie fürderfließt, auch wenn wir nicht an sie denken. Aber dass Zeit nicht zu haben ist und auch nie war, bedachte ich vor jener Zeit auf den Inseln noch nicht; alle sagten doch immer, dass sie entweder Zeit hätten oder nicht hätten. Aber auch die Jenigen, die bekundeten, sie hätten gerade keine Zeit, g’laubten dennoch grundsätzlich an die Habbarheit der Zeit!“
„Wohl beobachtet, Jan! Aber Un-zu-habend-heit der Zeit hin und Schönheit des Eilandes her: Was suchen die Menschen auf den beträumten Eilanden? Hier oder anderswo ist es doch eben so schön. Wichtig ist doch die Gesinnung:
„Raum ist in der kleinsten Hütte
Für ein g’lücklich liebend’ Paar.“
Und so sage ich mit Schiller, leicht verwandelt: Schön ist’s auf der schmalsten Scholle für ein g’lücklich liebend’ Herz.“, commentierte Hans.
„Dass das Seien an sich schön ist, siehst du aber nicht, wenn du voller Sorge um ’s Geld oder die die Gesundheit oder um deine Kinder oder um die Zukunft bist. Die meisten Menschen wohnen in öden Zwangsarbeitslagern oder Sorgenknästen; für diese ist das Seien an sich nicht zu empfinden, sondern stets nur das Seien in Schufterei und Sorge. Allso können sie des Seiens Schönheit nicht erkennen.“, sprach Jan.
„Die Schönheit wird von uns gesucht, weil sie als die Erscheinung der Liebe von uns gedeutet wird. So wird das G’lück angesichts der gefundenen Schönheit von uns erlebt. Und der heiße Wunsch zu dieser Schönheit und zu ihr zu reisen, ist unser innigster Versuch, den Weg zu der Liebe zu finden und zu begehen. Diese Deutung und Versuchung beweisen unsere Kindschafft der Liebe und zug’leich unsere Verlorenheit ihrer. O welch verzweifeltes Liebesbekenntniss ist unser innigster Wunsch nach der größten Schönheit! Und welch sonderbare Welt, in der wir wohnen, ohne dort heim zu seien.“, bekundete ich feierlich.
„Das Seien ist trotzdem wunderschön, aber das zeigt es dir erst dann, wenn dein feu’riger Traum der Welt erlischt, weil dieser die Angst, den Begehr, den Mangel, die Schuld, den Tod als schwer wiegende Implicationes in sich behrt. Nach diesem Erleschen erst wird die liebsamme Fülle der lebigen Unschuld gewahrt, die sorglos und schuldlos zu gewärtigen ist.“, sagte Hans.
„Und wann erlischt der Traum der Welt?“, fragte Jan skeptisch.
„Wenn du nicht mehr begehrst, der Macher oder Täter zu seien. Das besprachen wir doch Alles schon: Causalität aus dem Wunsche, ein wertvoller Täter des Guten zu seien, gebiert den Wahn des Verdienstes wie den der Schuld, denn mit dem „Täter des Guten“ wird zug’leich der „Täter des Bösen“ geboren und das Werden ist erstens nicht mehr ein Alleingänger und zweitens so gespaltet, dass Angst, Mangel und Sorge um es gedeihen. Vergebung ist allso auch, nicht länger Macher oder Täter seien zu wollen. Und dann erlischt auch aller Mangel, Freunde.“
„Wenn ich das höre, dann könnte ich vermuten, es sei zu begehren, dass der Begehr verlesche. Wäre das aber nicht so oder so ein Erreichen durch den Begehr, Hans?“
„Doch, das wäre es. Aber wie sonst?“
„Vielleicht durch die Bereitheit aus tiefer Einsicht in den Unsinn des Begehres oder die Unmöglichheit des G’lückes durch den Begehr, diesen aussichtslosen Begehr ohne Hinterbegehr zu entlassen?“
„Das klingt wohl, mein Lieber. Aber sprich: Nach o wie vielem Leiden wird diese tiefe Einsicht gewonnen seien?“
„Ich wage es nicht zu sagen.“
„Das ist weise! Aber dann würde ich sagen: Lasse uns der Liebe, die uns trägt, ohne Sorge vertrauen.“
„Einverstanden, Hans! Und Jan, was denkst du nun? Wir ließen doch die Frage noch offen. Baten wir in diesem Gespräche den Geist um Hilfe?“
“Ich will mich nicht übernehmen oder vermessen, aber ich finde, wir baten Ihn um Hilfe.“
„Woran bemerkst oder misst du das?“, fragte Werner.
„Schwerlich zu sagen. Ich urteilte aber nicht und sprach bestimmend: ‚es war so’, sondern ich sagte vorsichtig, ich fände, wir hätten ihn um Hilfe gebeten.“
„Ja, so sagtest du es, Jan. Aber ich fragte dich doch auch nur, woran du dies bemerktest oder maßest? Anders gefragt: Wie kam es, dass du dies fandest? Du musst dich nicht verteidigen.“
„Ja, woran bemerkte ich es? Vielleicht maß ich es an der sanften Einigheit, mir der wir sprachen und mit den Reisenden und den Suchenden mitempfanden. In diesem Mitempfinden ist doch schon viel Gemeinschafft, sodass Keiner allein gegen die großen Sorgen des Darseiens kämpfen und bangen muss. Und ich versuche, den Geist wenn schon nicht als den uns in concreter Form Helfenden, dann wenigstens als den uns Gemeinschafft Gebenden zu erkennen.“
„Schön gesagt!“, unterstrich ich dies Bekenntniss.
„Jo, Jungens, so isses. Macht Euch keine Sorgen, denn uns ist noch genug des Weines und der Unschuld unter uns.“
Und Jan schenkte uns Allen noch eine Runde ein.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen